Die Europäische Kommission verabschiedet erstmals verbindliche Grenzwerte für die Unterwasserlärmbelastung in der EU.
„Unterwasserlärm ist eine wenig bekannte, aber wachsende Bedrohung für Wale, Delfine und viele andere Meerestiere. Deshalb fordert der IFAW (International Fund for Animal Welfare) sofortige Maßnahmen zur Reduzierung der Lärmbelästigung. Eine Verringerung der Geschwindigkeit für Handelsschiffe in europäischen Gewässern bietet eine sofortige und unkomplizierte Lösung“, erklärt Ilaria Di Silvestre, Leiterin EU-Politik und Kampagnen beim IFAW.
Die nun beschlossenen Grenzwerte sind das Ergebnis jahrelanger intensiver Lobbyarbeit des IFAW. Die Bekanntgabe erfolgt ein Jahr nachdem sich eine technische Arbeitsgruppe auf diese Grenzwerte geeinigt hat. Die EU-Mitgliedsstaaten können auf dieser Grundlage leichter den in der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRD) festgelegten Good Environmental Status (ETS) erreichen – einen qualitativ guten Zustand der Meere. Die Maßnahmen zum Schutz vor Unterwasserlärm sollen von den Mitgliedstaaten bei der Aktualisierung ihrer Meeresstrategien im Rahmen der MSRD bis Oktober 2024 umgesetzt werden.
Es fehlen klare Leitlinien für den Schiffsverkehr
Laut IFAW ist die Verabschiedung verbindlicher Grenzwerte ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Unterwasserlärm, der jedoch durch wirksame, durchsetzbare operative Maßnahmen ergänzt werden muss. Es liegt nun an der Europäischen Kommission, den Mitgliedsstaaten klare Leitlinien für die Reduzierung des Unterwasserlärms an die Hand zu geben.
Die IFAW-Kampagne „Blue Speeds“ fordert die EU auf, eine Höchstgeschwindigkeit von 75 Prozent der bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von Handelsschiffen in EU-Gewässern festzulegen. Dies ist die praktikabelste und am leichtesten umzusetzende Maßnahme, die die Schifffahrtsindustrie ergreifen kann, um die festgelegten Grenzwerte einzuhalten. Laut einer kürzlich durchgeführten Studie verspricht die Einführung von „Blue Speeds“ für Schiffe in EU-Gewässern große Wirkung: Die Lärmbelästigung kann um 25 Prozent gesenkt werden, das Risiko von Kollisionen mit Walen um 23 Prozent sowie Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und Luftverschmutzung durch die Schifffahrt um jeweils etwa 8 Prozent reduziert werden.
Unterwasserlärm stört Meeresbewohner
Die Belastung durch Unterwasserlärm ist eine allgegenwärtige und zunehmende Herausforderung für die Erhaltung von Lebensräumen in den Meeren. Weltweit wird die Hälfte des Unterwasserlärms von der kommerziellen Schifffahrt erzeugt, die die Geräuschkulisse im Meer dominiert. Dieser ständige Lärm hindert Meerestiere daran, biologisch wichtige Geräusche wahrzunehmen und zu interpretieren. Zudem kann Unterwasserlärm die Interaktionen zwischen Räubern und Beutetieren und die Struktur der Lebensgemeinschaften verändern, die Dynamik und Stabilität des Nahrungsnetzes beeinträchtigen sowie die Produktivität und die Leistungen des Ökosystems gefährden.