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Die Näh-Film-Lok-Rolle

Die Näh-Film-Lok-Rolle: Technik, die begeistert! Vielleicht stand hier ein Handbohrer Pate?

Gerhard Dee hat uns Fotos von einer aufsehenerregenden Rolle geschickt. Die etwas an die Frühzeit der Stationärrollen erinnert, die ja von automatischen Webstühlen inspiriert wurden.

Er schrieb uns zu dieser Rolle: „Hallo Thomas, weil sie ungemarkt und bislang namenlos war, habe ich dieser einfachen aber spektakulären Rollenkonstruktion den oben genannten Spitznamen verpasst. Abgekürzt könnte man auch NFL-Rolle sagen (natürlich nicht zu verwechseln mit der National Football Ligue in den USA).

Näh- : weil die Schnurspule wie eine Garnspule auf einer Nähmaschine sitzt und sich ohne Spulenhub nur um die Achse dreht.

Film- : weil der Antrieb über eine runde Lochplatte erfolgt, in die ein Sternrad greift – ähnlich wie früher ein Projektor in die alten gelochten Celluloid-Filmstreifen

Lok- : weil die kreuzweise Verlegung der Schnur durch einen sich auf und ab bewegenden Schnurführer erfolgt, dessen Antriebs-Gestänge ein wenig an die Kraftübertragung bei alten Dampf-Loks erinnert. Die erzielte Kreuzwicklung sieht gar nicht mal so übel aus.

Das dekorative Stück habe ich vor vielen Jahren einmal in Eindhoven bekommen. Dort habe ich bei einem Händler/Sammler noch weitere ähnliche, leicht unterschiedliche Ausführungen gesehen. Er war überzeugt davon, dass sie in seiner belgischen Heimat hergestellt wurden. Wann und von wem konnte ich leider noch nicht in Erfahrung bringen.

Im Buch LE GRAND LIVRE DES MOULINETS FRANCAIS, Ausgabe 2013, ist auf Seite 263 eine solche Rolle abgebildet. Die Autoren Bernard und Michele Caminade, Jean-Noel Bohn und Jean-Pierre Mougin beschreiben sie (frei übersetzt): soll aus Belgien stammen, „Nähmaschine“ genannt werden und bisher in kleiner Stückzahl aufgetaucht sein. Vielleicht kann ja ein Leser etwas mehr Licht ins Dunkel bringen? Beste Grüße, Gerhard“

Hallo Gerhard, wirklich ein spektakuläres Stück! Ich habe noch einen Grund für das „Lok“ im Namen: Der Schrumpflack erinnert etwas an alte Modell-Lokomotiven 😉 Ich fahre seit Jahrzehnten regelmäßig auf belgische Flohmärkte und sehe dort hin und wieder ähnliche Rollen-Modelle. Belgien war und ist ja bekannt für Tuchindustrie und Webereien (Verviers, Gent, Brügge, Eupen, Luttich usw.). Schon 1798 wurden in Gent heimlich englische Spinn-Maschinen nachgebaut. Noch heute ist „Belgian Linen“ weltweit ein Begriff. Es ist deshalb also nicht weiter verwunderlich, dass das Know-How für diese Technik vorhanden war und auch in anderen Industriezweigen Anwendung fand, vielleicht auch im Angelrollenbau. Übrigens hat Belgien auch eine große Tradition im Lokomotivenbau, es passt also 😉 Dem hervorragenden Zustand nach und auch nach der Art der Lackierung muss Deine archaisch anmutende Rolle aber nicht unbedingt eine Vorkriegsrolle sein, vielleicht stammt sie sogar aus der sehr frühen Nachkriegszeit. Auch hier in Deutschland wurde 1951 noch die vergleichbar altertümliche „Selekta KS“ in den Handel gebracht. Beste Grüße Thomas

Infos, Fragen und Anregungen bitte an thomas.kalweit@paulparey.de

Solche Garnspulen kamen auch an Webstühlen zum Einsatz.
Solche Garnspulen kamen auch an Webstühlen zum Einsatz.
Die Konstruktion des Hauptantriebsrades erinnert etwas an die Perforation von Rollfilm, der schwarze Schrumpflack an Modell-Lokomotiven.
Das Gestänge für die Schnurwicklung könnte von einer Dampflok inspiriert worden sein.
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