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Der Regen ruft!

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Bild: Henning Kammer
Schreck bei der Anreise: Der Regen hat starkes Niedrigwasser.
Bild: Henning Kammer
Artenreiche Strecke: Stattlicher Döbel als Beifang.
Bild: Henning Kammer
Die Barben halten sich bei Niedrigwasser ausschließlich in der turbulenten Strömung auf.

 

Jedes Jahr zieht es Henning Kammer aus Nordhorn mit seinem Angelfreund Helmut an den Fluss Regen bei Marienthal.

Bei Niedrigwasser muss man bei der Auswahl des Angelplatzes Kompromisse eingehen.

Hier sein Urlaubsbericht: In diesem Jahr hatten wir unsere Angelunterkunft vom 14. bis 24. September gebucht. Am Abend vor der Abfahrt wurde unser Auto gepackt. Jeder Quadratzentimeter wurde genutzt. Alles von Wels – bis Köderfischrute, alle fein säuberlich im Rutenfutteral untergebracht, Angelrollen für jede Fischart, Angelkästen, Angelstühle, Kescher, Futtereimer mit den entsprechenden Lockstoffen, Stiefel und das unzählige Kleinzeug von der Kopflampe bis zu den Angelpapieren, alles fand seinen Platz im Auto. Und nicht zu vergessen die Lebendköder wie Tauwürmer und Maden.

Früh morgens um halb vier holt Helmut mich ab. Mit einem noch etwas müden Petri Heil steige ich, bewaffnet mit einem Frühstücksbeutel, in sein Auto ein. Das Dutzend ist voll: Zum zwölften Mal hintereinander geht es nach Marienthal, unserer zweiten Heimat. Nach exakt 500 Kilometern erreichen wir unser geliebtes Marienthal. Doch, oh Schreck! Der Wasserstand ist um mindestens einen Meter gesunken. Die unzähligen Steine der Eiszeit ragen weit aus dem Wasser heraus. Vereinzelt gibt es sogar im Uferbereich Sandbänke. Das verheißt nichts Gutes. Wir sind geschockt!

Feedern mit Futterkorb

Wo angeln? Überall schauen große Findlinge aus dem seichten Restwasser.

Aber wir wären nicht Angler, wenn wir nicht, allen Widrigkeiten zum Trotz, an unseren Erfolg glauben würden. Angekommen am Gasthof Max Wittmann, geht alles sehr schnell! Begrüßung der Wirtsleute, Beziehen der Gästezimmer, Einräumen unserer Angelausrüstung in Garage 3 und Einnahme unseres Mittagessens, natürlich Schweinsbraten mit Bratkartoffeln oder, wie Helmut sagt: „Bratäppels“.

Danach werden die in Betracht kommenden Angelstellen einer eingehenden Kontrolle unterzogen. Ergebnis auf bayrisch: „Passt schoo!“ Sodann erfolgt die Angelmontage, die sich ganz am Ergebnis der soeben gemachten Beobachtungen orientiert. Erster Schwerpunkt: Angeln mit Feederrute und 60 Gramm schwerem Futterkorb von einer Erfolg versprechenden Sandbank.

Zielfisch Barbe

Mit der Präzision eines Uhrwerks bereitet Helmut das aus nicht weniger als acht Einzelbestandteilen bestehende Futter vor. Welcher Fisch kann diesem betörenden Lockstoff widerstehen? Als Zielfische wird bei der Futtermischung ganz gezielt die Barbe auserkoren, wohl wissend, dass sich auch Brassen, Döbel, Rotaugen, Zährten (Rußnasen) und Ukeleis der Ködermaden annehmen könnten. So war es dann leider auch, und wie!

Nach gut drei Stunden zählen wir fünf Barsche, einen Döbel, elf Rotaugen, davon ein Rotauge mit stattlichen 40 Zentimetern, 12 Zährten und sage und schreibe 25 Ukeleis. Naja, immerhin nahm wenigstens ein Zielfisch unseren Köder an, eine kleine Barbe von 26 Zentimetern. Konsequenz: Einpacken und Abmarsch zum Abendessen. Dort angekommen, wird die Taktik für die nächsten Tage festgelegt.

Stattliche Beifänge

Auch die im Regen typischen Frauennerflinge gingen an die Maden.

Am nächsten Tag erhalten wir Verstärkung durch meinen Sohn Tobias, derzeit Student in Jena. In den folgenden sechs Tagen versuchen wir alles, bemühen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, doch leider vergebens, sieht man einmal von der stattlichen Anzahl der Beifänge ab. 27 Barsche, neun Döbel, davon ein stattlicher Döbel von 51 Zentimetern und 1.600 Gramm, sieben Frauennerflinge, acht Gründlinge, 51 Rotaugen, acht Schneider, 85 Zährten und – bitte festhalten – 284 Ukeleis, macht summa summarum 479 Fische. Aber bitte wo sind die Barben?

Am Abend vor dem achten Angeltag berufen wir eine Krisensitzung ein. Wir wollen die Fehlerquelle für unseren Misserfolg in Sachen Barben- und Nasenfang erforschen. Nach dem fünften Bier sagt Helmut die alles entscheidenden Worte: „Wir müssen in die ‚Turbulenz‘ und dort die tiefen Stellen befischen.“ Natürlich, das ist die Lösung! Wir fragen uns, warum wir nicht früher darauf gekommen sind und zweifeln ein wenig an unserem Sachverstand.

Erfolg in der Strömung

 

Am nächsten Morgen teilen wir uns auf. Tobias nimmt den Platz auf einer Sandbank ein, direkt vor dem stark strömenden Regen, Helmut und ich machen uns auf nach Nittenau, wo wir noch einige Besorgungen zu machen hatten. Als wir gegen Mittag zurückkommen, führt unser erster Gang zu Tobias. Neugierig nähern wir uns seiner Angelstelle. Gespannt warten wir auf seinen Bericht. Wir können es kaum glauben. Vier Barben, eine schöner als die andere, alle über 50, vier Frauennerflinge zwischen 40 und 45 und zwei Rotaugen von 47 (1.500g) und 45 Zentimeter (1.180 g) konnte er erwischen. Wir gratulieren dem stolzen Fänger und greifen nun selbst in das Geschehen ein. Trotz größtem Einsatz kommen wir an das Ergebnis von Tobias nicht heran. Insgesamt 78 Fische können wir landen, aber nur eine einzige Barbe ist unter unseren Fängen. So müssen wir auf den folgenden Tag, unseren letzten am Regen, vertagen. Und der sollte der absolute Knüller unseres Aufenthalts werden.

Barben über Barben

Endlich hat es auch beim Verfasser geklappt: Henning Kammer mit Regen-Barbe.

Helmut wächst am nächsten Morgen bei der Mischung des Barbenfutters über sich hinaus. Das Paniermehl, durchsetzt mit betörenden Duftstoffen und ganzen Kolonien von Maden, lässt keinen Zweifel an unserem unmittelbar bevorstehenden Erfolg aufkommen. Und so soll es auch kommen! Nachdem wir unsere Plätze auf der Sandbank eingenommen haben, geht es Schlag auf Schlag. Die Landungskescher sind nahezu ununterbrochen im Einsatz. Zeitweise haben zwei von uns gleichzeitig das einmalige Erlebnis, sich mit einer kämpferischen Barbe zu messen. Der absolute Höhepunkt ist Helmuts Drill einer gewaltigen Barbe, die in imposanter Weise kurzfristig die Fluten des Regens verlässt und mit einem Salto mortale ihr Können unter Beweis stellt. Nur die Bewunderung von Helmut hält sich in Grenzen, da sich die Barbe mit dem Kunstsprung höflich verabschiedet.

Am Abend zählen wir insgesamt 15 Barben von 37 bis 58 Zentimetern. Als Beifang notierten wir 63 weitere Fische, darunter einige kapitale Frauennerflinge bis 1.560 Gramm. Ganz zum Schluss wartet Tobias noch mit einem Paukenschlag auf. Vor unseren Augen fängt er so ganz nebenbei noch einen Hecht von knapp 70 Zentimetern, der als besonderer Service im Gasthaus für uns zubereitet wurde. Als wir uns am nächsten Morgen von den Pächtern Marzena Naleta und Ales Erhart sowie dem Inhaber Max Wittmann verabschieden, ist es uns richtig wehmütig ums Herz. Nur so viel steht schon jetzt fest: Im nächsten Jahr kommen wir wieder, und dann geht es gleich gezielt auf Barben.

Text und Fotos: Henning Kammer

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