Es kommt selten vor, dass ein Angelbuch zur höchsten Weltliteratur gezählt wird: Ota Pavels Meisterwerk gehört unzweifelhaft dazu.
07.10.2008
In 23 kleineren Erzählungen beschreibt der tschechische Autor in „Wie ich den Fischen begegnete“ seinen anglerischen Werdegang. In kraftvoll-saftiger Sprache berichtet er über seine Angel-Abenteuer auf Barben, Barsche, Hechte und Karpfen. Die Angel-Erlebnisse werden vor einer unglaublichen historischen Kulisse beschrieben: Pavels Vater wird als Jude während der deutschen Besatzungszeit in ein Konzentrationslager verschleppt, als Schwarzangler sorgt der kleine Ota für das Überleben der Familie. Selten hat man über unser Hobby so urgewaltige Sätze gelesen: „Dann kam der Müller mit der Keule und einem Messer zurück. Er zermalmte dem Karpfen den Kopf und schnitt ihm die Kiemen durch, damit das Blut ausfließen konnte. Dann kratzte er die großen, goldenen Schuppen von seinem Körper. Sie spritzten nach allen Seiten, fielen wie Goldregen auf die Erde und blieben am Holz kleben, saugten sich an meinem nackten, mehlbestäubten Körper fest. Dann schnitt ihm der Müller den Bauch auf, und mein wertvolles, unverdautes und schmutzig gewordenes Brot fiel aus den Därmen heraus. Der Müller schob es mit dem Fuß den bettelnden Hühnern hin, und ich fing an zu weinen…“ Pavels Buch ist aber nicht martialisch, es ist in jeder Zeile unheimlich charmant: „Nun konnte ich ihn mir in Ruhe anschauen. Er hatte Barthaare wie ein Wassermann, ihm fehlte nur noch das Pfeifchen. Und er hatte ganz eigene Augen, weise und bräunlich, sie kamen mir vor wie die die verkleinerten Leiber von hausgebackenem Brot. Doch sonst war er golden wie ein Ferkelchen. Die Sonne war gerade im Untergehen, und das Gold schmolz an seinen Seiten, und es sah so aus, als weine es und es wolle zurück in den heimatlichen Teich fließen.“
Auch das Ende des Angel-Buches ist ungewöhnlich: Während der Olympischen Winterspiele 1964 in Innsbruck erkrankte der Sportreporter Ota Pavel an einer manisch-depressiven Psychose. Nachdem ihm im Wahn der Teufel erschienen war, versuchte er einen Bauernhof anzuzünden. Die österreichische Polizei verhaftete Pavel, er verbrachte dann lange Jahre in Heilanstalten: Hier entstand auch sein Werk „Wie ich den Fischen begegnete“. Ota Pavel schrieb sein Angel-Buch bereits 1974, jetzt liegt dieses Stück Weltliteratur endlich wieder in einer Neuauflage in deutscher Sprache vor.
Leseprobe
„Dann zappelte der Gänsekiel, stand Kopf und streckte die Beine in die Höhe wie eine Ente. Dich ich presste die Angelrute bereits krampfhaft in meinen Händen. Gewiss war es der Barsch mit der Mähne, der hier in der Einsiedelei lebte. Nun machte der Gänsekiel hopsa und verschwand. Aber ich konnte sehen, dass er unter der Oberfläche zu den Wasserlilien hinsauste. Ich haute an. Die Angelrute bog sich, und ich spürte zum ersten Mal im Leben das wonnige Ziehen des Fisches. Nach einem mächtigen gegenseitigen Ringen erschien ein struppiges Maul. Es war ein Barsch, und er war so groß wie eine karierte rote Mütze, zudem noch olivgrün mit dunklen Streifen. Er trug seine roten Flossen wie ein Kampfbanner, und sein Rücken glich dem eines Stiers. Statt Augen hatte er goldene, lebendige Geldstücke, und aus seinem rücken ragte ein struppiger Speer. Das war kein Fisch, das war ein Drache, ein gepanzerter Ritter mit einer roten Feder am Helm…“
Info: Ota Pavel, Wie ich den Fischen begegnete, Erzählungen, 1. Auflage 2005, Phileas Verlag, Berlin. 152 Seiten, illustriert, 14,1 x 22,1 cm, Hardcover, Leinen, Schutzumschlag. ISBN 3-00-015728-X. Preis: 19,80 Euro.
-tk-