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Aale Jahre wieder!

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Glasaale aus Frankreich werden in Fließgewässern Niedersachsens ausgesetzt. Bild: F. Möllers

Hunderttausende von jungen Aalen finden am 11. März 2022 ein neues Zuhause in Niedersachsens Gewässern.

Die nur 0,3g leichten durchsichtigen Glasaale sind dennoch gewichtige Hoffnungsträger für den vom Aussterben bedrohten Europäischen Aal. Querverbauungen und Wasserkraftanlagen behindern überall in Norddeutschland seine natürliche Wanderung von der Nordsee in unsere Flüsse – und wieder zurück. Niedersachsens Angelvereine helfen den bedrohten Fischen mit ehrenamtlichem Einsatz und Geld aus den Vereinskassen. Mehr als 120 Vereine machen mit, von Ostfriesland bis in den Harz. Der Anglerverband Niedersachsen (AVN) koordiniert die landesweit größte Artenschutzinitiative bereits im 12. Jahr.

Geheimes Liebesnest in der Karibik

Der Aal ist sicher einer der bekanntesten Fische überhaupt – quasi ein Kulturgut im Norden. Brotfisch der Berufsfischer, eine beliebte Delikatesse ob geräuchert oder grün, und trotzdem gibt er der Forschung nach wie vor Rätsel auf.

Doch der Reihe nach: In diesen Wochen kommen Millionen von jungen Aalen an den Küsten Europas und Nordafrikas an. Sie sehen fast schon aus wie ein richtiger Aal, sind aber noch durchsichtig und haben gerade erst ihre langgestreckte Form angenommen. Zuvor drifteten sie mit dem Golfstrom als so genannte „Weidenblattlarve“, der Name ist Programm, durch das offene Meer. Zwei bis drei Jahre lang dauerte die 5.000 km lange Reise!

Ihr Geburtsort: Die Sargassosee südlich von Florida. Dorthin waren ihre Eltern im Winter zuvor aufgebrochen. Niedersachsens Flüsse hinab, in die Nordsee, zum Teil durch den Ärmelkanal, zum Teil im Norden um die britischen Inseln herum, quer durch den Atlantik bis in die besagte Sargassosee. Dort verliert sich ihre Spur. Niemand weiß genau, wo und in welcher Tiefe sie laichen oder gar wie viele Aale dort überhaupt ankommen.

Zucht in Gefangenschaft praktisch unmöglich

Eines weiß man: Wenn die erwachsenen Aale nach mehr als 15 Jahren in unseren Flüssen ihre Wanderung beginnen, setzen hormonelle Veränderungen ein. Getriggert durch den Übergang ins Salzwasser und durch weitere Faktoren reifen die Geschlechtsorgane heran, und bei den Weibchen bilden sich die Eier aus.

So ist es bis heute nicht gelungen, Aale im großen Stil zu vermehren. Ihre überlebenswichtige Wanderung kann der Mensch unter künstlichen Bedingungen nicht nachempfinden.

Dieser 112 cm lange Aal starb nach der Turbinenpassage einer Wasserkraftanlage an der Weser. Bild: M. Emmrich/AVN

Fische müssen wandern!

Dass junge Aale aus Südfrankreich nach Norddeutschland transportiert werden, soll keine Dauerlösung sein. Doch Tausende von Querbauwerken wie Stauanlagen, Wehre und Wasserkraftanlagen behindern allein in Niedersachsen die Wanderung der Aale und vieler anderer Wanderfische von der Nordsee in die Oberläufe. Der Anglerverband fordert seit Jahren, dass unsere Fließgewässer endlich durchgängig gemacht, Querverbauungen beseitigt und kleine Wasserkraftanlagen komplett zurückgebaut werden.

Unterstützung für diese Forderungen kam im November 2021 von 65 WissenschaftlerInnen aus ganz Deutschland: In einem Memorandum fordern sie die neue Bundesregierung auf, die ökologisch extrem schädliche kleine Wasserkraft rückzubauen und verbindliche Auflagen für funktionierende Fischwanderhilfen zu schaffen. Kraftwerke mit weniger als einem Megawatt Leistung machen mehr als 75% der Anlagen in Deutschland aus und tragen doch nur 0,5%!!! zum gesamten Strommix bei.

Ein Großteil der abwandernden Aale stirbt in Turbinen von Wasserkraftanlagen. Bild: F. Möllers/AVN

Schlechter Witz: 100 Fische schwimmen in Hannover los – wie viele erreichen das Meer?

Neueste Untersuchungen zeigen, dass die Sterblichkeit für Fische bei Passage einer Wasserkraftanlage bei durchschnittlich 22% liegt – für eine Anlage, wohlgemerkt! Von 100 Fischen, die in Hannover starten – egal, ob Lachs, Meerforelle oder Aal – erreicht also nur eine Handvoll die Nordsee.

Für ausgewachsene Aale gilt außerdem: Fast 50% der Überlebenden weisen nach der Passage durch eine Kraftwerksturbine erhebliche Verletzungen auf. Ralf Gerken, Aal-Experte beim AVN, setzt diese unbemerkten Verluste ins Verhältnis: „Stellen Sie sich vor, von 2.500 Weißstörchen, die in Niedersachsen brüten, würden nur 150 oder 200 Vögel überhaupt ihre Winterquartiere erreichen. Was für ein Aufschrei würde da durch die Gesellschaft gehen!“

Taxi aus Paris

Genauer gesagt aus dem Mündungsbereich der Gironde und weiter südlich – von dorther kommen die Jungaale per Transporter nach Niedersachsen. Das Ziel: Gewässer mit natürlichem Zu- oder Abfluss oder Fließgewässer, aus denen die erwachsenen Aale (theoretisch) die Nordsee erreichen können. Die letzten Befischungsergebnisse zeigen: Der Besatz zeigt Wirkung. Langsam erholen sich die Aalbestände in unseren Flüssen. Doch alle Beteiligten sind sich einig: Bis zu einem Vorkommen wie Anfang der 1980iger Jahre, bedarf es weit mehr als nur den unterstützenden Besatzmaßnahmen.

Ein Milliardengeschäft

Gefördert vom Land Niedersachsen und der EU müssen die Angelvereine etwa 40% Eigenanteil aufbringen für den Besatz der kostbaren Fische. Etwa 300-350€ kostet das Kilo mit 3.000 Mini-Aalen.

Sie stammen aus einer Lieferkette, die mittlerweile vom Fang bis zum Weitertransport komplett zertifiziert ist. Die Zertifizierung soll ebenfalls zum Schutz des Aals beitragen. Denn: Ein gewaltiger Schmuggelmarkt hatte sich aufgetan, nachdem 2010 der Export von Aalen aus der EU verboten worden war. Zu Abermillionen wurden Glasaale nach Asien zur Aufzucht und zum anschließenden Verzehr geschleust. Spezialkräfte der europäischen Zollbehörden verbuchen seit einigen Jahren immer wieder Achtungserfolge im Kampf gegen die Schmugglerringe. Doch die Strafen sind im Vergleich zum lukrativen Geschäft zu gering: Bis zu 6.500 USD wurden schon für das Kilo Glasaale bezahlt – mehr als für Elfenbein oder Kokain.

Gute Überlebens-Chancen

Gekühlt in speziellen Styroporkisten verpackt, erreichen die Glasaale am Freitagvormittag die Verteilstellen. Dort werden sie von Anglern und Anglerinnen in Empfang genommen und zügig auf geeignete Gewässer verteilt. „Glasaale haben sehr gute Überlebens-Chancen in unseren Gewässern“, weiß Ralf Gerken. Markierungsversuche aus Schleswig-Holstein bestätigen: 80-90% der Aale in unseren Gewässern stammen aus Besatzmaßnahmen. „Natürlich freuen wir uns, dass der Besatz hilft. Aber es ist nur ein kleiner Baustein. Wir alle sehnen den Tag herbei, wo Aale und andere Fische in unseren Flüssen endlich wieder frei und ungehindert wandern können“.

AVN-Position zur Empfehlung eines Aalfangverbotes in Europa (pdf)…

-Pressemitteilung AVN-

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